Historischer Gesamtzusammenhang um die Varusschlacht


58 bis 51 vor Chr.
erobert Iulius Caesar Gallien.
55 und 53 vor Chr.
überschreitet Caesar den Rhein im Zuge der Abwehr von über den Rhein immer wieder in römisches Gebiet einfal­lenden Germanen­horden und signa­li­siert damit letztlich einen Herr­schafts­anspruch über das östlich des Rheins gelegene Germanien. Für die gallischen und germa­nischen Stämme stellt der Rhein keine Grenze dar.
15 vor Chr.
Die Stiefsöhne des Prinzeps (Kaisers) Augustus, die Söhne seiner Frau Livia aus erster Ehe, Drusus und Tiberius, sichern im sogenannten Alpen­feldzug die Donau als Nord­grenze des Römischen Reiches gegen die Germanen.
17 / 16 vor Chr.
bereiten Germanen dem Legaten Lollius und seiner 5. Legion im west­lichen Nieder­rhein­gebiet eine Nieder­lage, die insofern von nicht großer Bedeutung ist, als dass sich beide Seiten wieder verständigen. Anderer­seits sichern die Römer
ab 15 vor Chr.
die Rheinlinie durch den Bau von Legions­lagern und Kastellen und verlegen den Groß­teil der im Innern Galliens statio­nierten Truppen dorthin. Das Lager Vetera castra bei Xanten, gegen­über der Lippe­mündung, hat im Beson­deren diese Funktion: es liegt in stra­te­gisch sinn­voller Nähe zu den Siedlungs­gebieten der Stämme, die für die Einfälle in römisches Gebiet vor allem verant­wort­lich zeichnen, das sind Sugambrer, Brukterer, Usipeter und Tenkterer.
Im Laufe dieser Jahre ändert Rom seine Germanien­politik, geht über die Sicherung Galliens an der Rhein­linie hinaus, plant die Unter­werfung des rechts­rheinischen Germaniens.
12 bis 9 vor Chr.
führt Drusus Feldzüge gegen die nördlichen und inner­germanischen Stämme. Von den Rhein­lagern Vetera castra (Xanten) und Mogon­tiacum (Mainz) ausgehend, will er in einer Zangen­bewegung von Norden und Süden bis zur Elbe vordringen. Vermut­lich zwischen Alt­rhein und Ijssel bzw. Ijsselmeer lässt er als Abkürzung zur östlichen Nord­see mit ihren Fluss­mündungen von Ems, Weser und Elbe den nach ihm benannten Drusus­kanal bauen.
Die an der Küste lebenden Friesen und Chauken kann er dauerhaft an Rom binden, die am Main lebenden Marko­mannen ziehen sich hinter die Elbe zurück und siedeln im heutigen Böhmen. Lediglich die zwischen Lippe und Ruhr siedelnden Sugambrer bereiten dem Feldherrn große Schwierig­keiten. Nach der Schlacht von Arbalo (die Lage dieses Ortes ist bis heute nicht bekannt), aus der die Römer mit Mühe einer Nieder­lage entgehen, schanzt Drusus das Lippe­lager Oberaden als Bollwerk gegen diesen Stamm.
Durch einen Sturz vom Pferd stirbt Drusus infolge der Verletz­ungen in einem Lager zwischen Saale und Rhein. Dieses bislang nicht identi­fi­zierte Lager trägt dann die Bezeichnung "castra scelerata", das "verfluchte" oder "Unglücks­lager".
8 / 7 vor Chr.
Drusus' Nachfolger in Germanien wird sein Bruder Tiberius. Er besiegt die Sugambrer endgültig und siedelt sie in links­rheinisches Gebiet Nähe Vetera castra um. Andere Stämme bindet er durch Verträge an Rom. Bündis­verträge gelten den Römern als Vorstufe der Unter­werfung. Zur Gewähr­leistung ihrer Bündnis­treue werden die Bundes­genossen zur Stellung einer nennens­werten Anzahl von (Fürsten-) Geiseln verpflichtet.
Schließlich beherrschen die Römer ein unzusammen­hängendes Gebiet östlich des Rheins mit unter­schied­lichem Einfluss - aber Tiberius triumphiert in Rom als Unter­werfer aller germanischen Stämme bis hin zur Elbe. Die Lager Inner­germaniens werden aufgelassen, Oberaden z. B. hat seine Funktion als Bollwerk gegen die Sugambrer verloren. Es herrscht Frieden. Das Lager in Haltern wird gegründet, um es zum Verwal­tungs­mittel­punkt Nord­west­germaniens aufzubauen.
6 vor bis 4 nach Chr.
ist kein prominentes Mitglied des Kaiser­hauses mit Aufgaben in Germanien betraut. Die Nachrichten der Geschichts­schreiber fallen entsprechend gering aus.
1 bis 4 / 5 nach Chr.
ist von einem "gewaltigen Krieg" ("immensum bellum") die Rede. Der gallische Statt­halter Vinicius wird nach Germanien beordert. Erst Tiberius gelingt jedoch eine Beendi­gung des Krieges, wobei er einer­seits mehrere Stämme einzeln militärisch besiegt, anderer­seits wieder Bündis­verträge, so auch mit den Cheruskern, schließt.
Erstmals kann ein römisches Heer östlich des Rheins überwintern. In seinem Ausmaß kommt der "immensum bellum" einer zweiten Eroberung gleich.
ab 6 nach Chr.
Einzig gefährlich bleibt das Markomannen­reich Marbods östlich der Elbe, dem sich weitere ost­elbische Stämme angeschlossen haben. Rom plant, es mit zwölf Legionen nieder­zuringen. Der Feldzug wird vor jeglicher Ausein­ander­setzung abgebrochen, die Truppen wegen eines Aufstands nach Illyrien abgezogen. Marbod lässt sich auf einen Bündnis­vertrag mit den Römern ein.
In dem nach den illyrischen Provinzen sogenannten pannonisch-dalmatischen Krieg verdient sich Arminius als Verbündeter Roms und Anführer einer cherus­kischen Reiter­einheit den Status eines römischen Ritters, den außer ihm kein cherus­kischer Adliger erzielen kann.
Ab 6 / 7 nach Chr.
ist Varus Statt­halter für Germanien. Er hat u. a. als Statt­halter der Provinz Syrien Erfah­rungen gesammelt, hat in Judäa Unruhen nieder­schlagen und auf einen Schlag 2000 Aufstän­dische kreuzigen lassen. Sein Aufent­halt in Germanien dient der Provin­ziali­sierung, der Durch­setzung römischer Verwaltung und römischen Rechts. Sein Verständnis für die Lebens­weise der Germanen ist gering.
Eher 8 als 9 nach Chr.
kehrt Arminius zurück. Der Aufstand ist im pannonischen Teil Illyriens schon entscheidend nieder­gerungen. Sein Vater Segimer stirbt.
9 nach Chr.
Ende des pannonisch-dalmatischen Krieges.
Etwa zeitgleich erhebt sich Arminius gegen die römische Besatzung im eigenen Land und schlägt, zusammen mit den verbündeten Stämmen der Chatten, Brukterer und Marser, die drei Legionen des Statt­halters Varus in der Schlacht im Teuto­burger Wald vernichtend. Bis auf das bis heute nicht lokalisierte Kastell Aliso erobern die Germanen alle inner­germa­nischen römischen Stützpunkte. Das Unvermögen, dieses Kastell zu erobern, verhindert ihr Vordringen über den Rhein.
Die Römer verlassen nahezu flucht­artig das östlich des Rheins gelegene Germanien selbst aus weit fort­geschritten provin­ziali­sierten Gebieten. Sie geben mindestens eine Zivil­siedlung, wie auch die (nach 9 vor Chr. entstan­denen) Legions­lager und Kastelle auf.
Ein Bündnis­angebot Arminius' an Marbod quittiert dieser mit einer Neutra­li­täts­bekundung gegenüber Rom: Arminius lässt ihm den Kopf des Varus über­bringen, den Marbod zu Augustus weiter­schickt. Varus erhält ein ehren­haftes Begräbnis. Er ent­stammte einer sehr ein­fluss­reichen Familie.
10 nach Chr.
Der Besatzung des Kastells Aliso und den aus der Varus­katastrophe dort unter­gekommenen Flüchtlingen gelingt der Ausfall unter Hilfe­stellung des vom Rhein anrückenden Legaten Asprenas und seiner zwei Legionen.
10 bis 12 nach Chr.
In den folgenden drei Jahren stellt Tiberius die römische Militär­präsenz am Rhein wieder vollständig her und erhöht die Zahl der dort stationierten Legionen von vor der Varus­schlacht fünf auf nunmehr acht. Er überschreitet mehrfach den Rhein und trifft Vorbereitungen zur Rück­eroberung der Lippe­linie. Schließlich finden erste Aus­einander­setzungen mit den Germanen statt.
13 und 14 nach Chr.
verbringt Tiberius in Rom, wird Nach­folger des posthum vergött­lichten Prinzeps (Kaiser) Augustus. Germanicus, sein Neffe und Adop­tiv­sohn, Sohn des Drusus, erhält das Kommando über die Rhein­armee.
14 bis 16 nach Chr.
versucht Germanicus nach Drusus und Tiberius Germanien ein drittes mal zu erobern. Mit den acht Legionen der Rheinarmee zieht er auch und insbesondere gegen die an der Nieder­lage der Varus­legionen betei­ligten Stämme. Unbarm­herzig schlachtet er die Marser nach einer Feier: "Er verwüstete mit Schwert und Feuer eine Fläche [mit einem Umfang] von 50 Meilen [75 km]: nicht Geschlecht, nicht Alter fand Mitleid; Welt­liches und Heiliges [...] wurden dem Erdboden gleichgemacht." (Tacitus, Annalen I, 51, 1). Auch an Chatten und Brukterern rächt sich Germanicus grausam.
Ledig­lich die Cherus­ker sind ihm gewachsen. Germanicus' Heer­führer Caecina gelingt es nur knapp, mit seinen vier Legionen aus der Schlacht an den "langen Brücken" ("pontes longi") zu entkommen. Es ist die Ruhm- und Beute­gier des Inguiomer, Arminius' Onkel und ebenfalls Fürst über einen Teil der Cherusker, die eine erneute römische Kata­strophe verhindert. Germanicus lässt sich von diesen Ereig­nissen nicht beein­drucken: in den Schlachten von Idis­taviso und am Angri­va­rier­wall stellt er sich im folgenden Jahr dem Arminius. Dieser weiß eine Entschei­dung zugunsten des Gegners stets abzu­wenden und festigt damit seinen im Teuto­burger Wald errun­genen Sieg.
Schwere Unwetter bereiten Germanicus hohe Verluste an Menschen und Material bei seinen Truppen­trans­porten durch die Nordsee. Schließlich setzt Tiberius den römischen Ambitionen in Germanien ein Ende.
17 nach Chr.
Germanicus erhält einen glanz­vollen Triumph in Rom auf dem die weitest­gehend erreichten römischen Ziele zusammen­gefasst werden: Sicherung der Rheingrenze, Rück­gewinnung der Feld­zeichen, insbe­son­dere der Legions­adler, Rache für die unter­gegangenen Legionen.
Das gemeinsame Ober­kommando über die Legionen der Rhein­armee wird abgeschafft. Den neu gegründeten Ober- und Nieder­rhein­armeen werden mit je vier Legionen zwei an das rechts­rheinische Germanien angrenzende, links­rheinische Militär­verwal­tungs­bezirke zugeteilt. Stationiert sind die Legionen entlang des Rheins.
Arminius führt Krieg gegen Marbod. Semnonen und Lango­barden wechseln zu Arminius, Inguiomer zu Marbod. Rom lehnt eine Unter­stützung Marbods ab. Es gibt keinen Sieger, Marbod zieht sich aber zurück.
19 nach Chr.
Aufstand einer von Rom gestützten Adels­opposition gegen Marbod. Er flieht und erhält bei den Römern Asyl, verbringt den Rest seines Lebens, noch 18 Jahre, in Ravenna. Die Bedrohung durch ein germa­nisches Groß­könig­tum, die von den Markomannen hätte ausgehen können, ist für Rom nun gebannt.
21 nach Chr.
Arminius wird von Verwandten ermordet. Nicht ausge­schlossen werden kann ein Versuch des Arminius, nach dem Vorbild Marbods ein Heer­könig­tum mit ihm selbst als König zu etablieren, wobei er mit anderen cherus­kischen bzw. mit Fürsten verbündeter Stämme in einen unüber­wind­baren Interes­sens­kon­flikt gerät.
Die Uneinig­keit innerhalb der germanischen Stämme resultiert schließlich in einer gegen­seitigen Befehdung der Adels­geschlechter, in der diese zum Teil so weitgehend ausgelöscht werden, dass die Cherusker
47 nach Chr.
Rom um Einsatz eines Vasallen­königs bitten. Diese Rolle fällt Italicus zu, dem Sohn des Flavus und Neffen von Arminius. Schnell stellt sich heraus, dass auch ihm eine Einigung des Stammes nicht gelingt. Gegen Ende des Jahr­hunderts verschwinden die Cherusker für immer aus den Über­lieferungen.
Anders die Chatten, sie bleiben der einzige die Rhein­grenze noch bedro­hende Germa­nen­stamm. Diese Gefahr beendet schließlich
83 bis 85 nach Chr.
Prinzeps (Kaiser) Domitian in den soge­nannten Chatten­kriegen. Der nord­öst­liche Teil der Wetterau wird nun von Mogontiacum (Mainz) ausgehend dauer­haft von den Römern kontrolliert und zur Sicher­heits- und Puffer­zone zu dem nach dem heutigen Nord­hessen begrenzten Siedlungs­gebiet der Chatten.
Die Römer besetzen das Gebiet zwischen Rhein und Donau und sichern es mit der Errichtung des Limes, eines mili­tä­risch befestigten Grenz­walls. Aus den Heeres­verwal­tungs­bezirken der Nieder- und Ober­rhein­armee schafft Domitian die Provinzen Germania inferior und superior, Nieder- und Ober­germanien. Diese politische Ordnung bleibt bis ins dritte Jahr­hundert bestehen.





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